Von der Fachkraft zur Teamleitung – ein Erfahrungsbericht

Herzlichen Glückwunsch! Wenn Du das willst wirst Du jetzt zur Teamleiterin befördert“.
Dieser Satz ihres Vorgesetzten sollte für Daniela, 31 Jahre, zu einem Wendepunkt in ihrer beruflichen Laufbahn werden. Sie hatte sich in den vergangen Jahren bei ihrem Arbeitgeber einen guten Namen gemacht. In ihrem Aufgabenbereich war sie überdurchschnittlich gut und sehr erfolgreich. Die Kund*innen liebten es, mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie handelte eigenverantwortlich, brachte neue Ideen ein und setzte sie mit hohem Engagement um. Dabei tat sie oft mehr als andere und war im Team wichtige Ansprechpartnerin, wenn Kolleg*innen nicht mehr weiter wusstenDurch ihr hohes Engagement und gute Leistungen in der Fachlichkeit gingen plötzlich für sie die Türen in Richtung Teamleitung und Führungskarriere auf. 

Keine Ahnung, was als Teamleitung nun genau auf mich zukommt

In unserer ersten Coaching-Session erzählte mir Daniela, dass sie sich damals erstmal sehr über die Wertschätzung und Anerkennung gefreut hatte. “Da haben sich die Mühen doch gelohnt!”, sagte sie. Und sie ergänzte: „Doch ich hatte keine Ahnung, was genau jetzt auf mich zukommen würde.“ Sie wusste natürlich, dass sie nun, wo sie Teamleiterin war, eben das Team leiten würde. Aber was genau das für sie bedeutete, wusste sie damals noch nicht. Wie auch? „Recht schnell musste ich mir in der neuen Rolle eingestehen: so wenig wie Zitronenfalter Zitronen falten, konnte ich auf Knopfdruck das Team führen, zu dem ich mich nach wie vor zugehörig fühlte – und wiederum auch nicht mehr“. Etwas hatte sich auch im Verhältnis zu ihren Kolleg*innen verändert. Als wir so darüber sprachen wurde ihr plötzlich klar: „Die neue Position ist kein Schalter, den ich einfach umlege. Es ist ein Weg, der von mir gegangen werden will.“ 
Einer, der für sie in erster Linie eine persönliche Entwicklung bedeutete, wie sich später zeigen sollte.

Führung heißt in erster Linie Selbstführung und Entwicklung

Von da an trafen wir uns regelmäßig zum Coaching. Sie hatte sich gewünscht, dass ich sie bei ihrem Schritt in die Führungsrolle begleite. In unserer nächsten Sitzung erlebte ich sie sehr erschöpft und resigniert. Sie berichtete: „Statt an meinen Vorhaben für die Abteilung arbeiten zu können, muss ich ständig operativ mitarbeiten und Feuer löschen. Ich arbeite gefühlt Tag und Nacht. Viele Dinge funktionieren einfach nicht so, wie es sein sollte. Das Team reibt sich an Kleinkram auf, alles wird persönlich genommen. Konflikte und persönliche Befindlichkeiten sind an der Tagesordnung. Das ist so anstrengend. Dabei tue ich doch alles für die Leute, versuche einen guten Rahmen zu schaffen und für alle da zu sein. Aber irgendwie fruchtet das alles nicht.“

Tja, da stand sie nun und sollte die Verantwortung für ein ganzes Team übernehmen. Sie hatte sich bewusst zu diesem Schritt entschieden und hatte Großes vor. Sie wollte das Dream-Team schaffen, das sie sich selbst immer gewünscht hatte. Eines, das sich gegenseitig unterstützt, sich mit gemeinsamen Zielen identifiziert, sich dafür engagiert und sowohl mit, also auch ohne ihre Anwesenheit gemeinsam an einem Strang zieht. 

Doch nun stellte sie schmerzhaft fest: es ist eine Sache, gefeierte Expertin auf dem eigenen Fachgebiet zu sein. Es ist eine ganz andere Sache, andere zu befähigen und aus einer Gruppe Menschen ein Team zu entwickeln. Nun waren wir im Coaching an einem entscheidenden Punkt angelangt: sie realisierte, dass in ihrer neuen Rolle ganz andere Fähigkeiten gefragt waren, als die sie bisher gebraucht hatte!

Sie hatte bis dato viel Erfahrung in ihrem Aufgabenbereich gesammelt und sich so herausragende Fähigkeiten angeeignet. Über viele Dinge musste sie kaum noch nachdenken, konnte sie aus dem Ärmel schütteln und auch schwierige Themen mit wenig Aufwand erfolgreich zum Abschluss bringen. Sie hatte es in ihrer Rolle quasi auf die Stufe intuitiver Virtuosität geschafft. Mit dem Schritt in die Führungsrolle gab sie nun genau das auf und hatte von dem, was nun ihre Aufgaben waren, nur eine diffuse Ahnung. Sie erkannte: „Um ein ähnliches Level zu erreichen, wie ich es vorher hatte, muss ich wohl sehr viel Neues lernen. Über den Umgang mit Menschen, über Kommunikation und über Führung.“ „Ja“, entgegnete ich, „zunächst die theoretischen Grundlagen. Doch KENNEN ist nur die halbe Miete. Um etwas wirklich zu KÖNNEN, braucht es Übung, jede Menge Training und praktische Erfahrung.“

Und so machte sie sich auf den Weg, besuchte Führungskräfteseminare, frischte ihre BWL-Kenntnisse auf, ließ sich in agilen Managementmethoden ausbilden. Parallel dazu lud ich sie zu meinem „Virtuellen Stammtisch Führung“ ein. Einige meiner Coachees hatten mich auf die Idee gebracht, einen regelmäßigen Austausch unter Gleichgesinnten einzurichten. So können sich die Führungskräfte aus ganz unterschiedlichen Unternehmen und Branchen mal im geschützten Raum austauschen und sich gegenseitig wertvolle Impulse geben. Parallel dazu reflektierten wir im Einzelcoaching von ihr ausgewählte Situationen aus ihrem Führungsalltag und sie nutzte die Sitzungen mit mir, um einfach mal laut zu denken. 

Neulich rief sie mich an und berichtete mir freudig, dass sie zur Bereichsleiterin befördert würde. Sie war wie beflügelt, dass sie nun bereits den nächsten Schritt gehen kann. Ich gratulierte ihr herzlich und fragte sie, ob sie mir eine Liste ihrer wichtigsten Learnings erstellen würde. Als Empfehlung für Menschen, die auch den Weg von der Fach- zur Führungskraft gehen und vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Sie stimmte zu und ihre wertvolle Liste möchte ich hier gern mit Dir teilen.

Meine TOP-Learnings aus dieser Zeit

  • Führung ist eine Fähigkeit, die es zu entwickeln gilt wie jede andere Fähigkeit auch. Zu glauben,  allein mit dem Titel füllst Du diese Rolle aus, ist ein Irrglaube.
  • Aus der Fach- in eine Führungsrolle zu wechseln sollte eine bewusste Entscheidung für Dich sein. Denn er bedeutet, dass Du nicht mehr IM, sondern vielmehr AM Unternehmen arbeitest. Das bedeutet eben auch, dass Du das, was Dich bisher so erfolgreich gemacht hat, jetzt nicht mehr selbst tust. Wenn Du also eigentlich total gern selbst programmierst, Gäste betreust, Patienten versorgst oder mit Kindern arbeitest, wirst Du dafür in der Führungsrolle kaum noch Zeit haben. Denn Deine Aufgaben sind dann andere. Wenn Du darauf nicht verzichten möchtest, ist für Dich der Schritt in Richtung fachlicher Karriere womöglich sinnvoller. Soweit das in Deinem Unternehmen möglich ist.
  • Gerade am Anfang kann es sich manchmal einsam anfühlen. Plötzlich bist Du nicht mehr Teil des Teams. Vielleicht verstummen Gespräche, wenn Du das Büro betrittst. Du erfährst Dinge nicht mehr so direkt, unter Kolleg*innen. Es entsteht eine Distanz. Mach Dir darüber bitte keine Sorgen, denn es ist ein wichtiges Signal, dass Du nun auch als “die Leitung” wahrgenommen wirst. Jede Gruppe braucht eine Leitung, auch ein agiles Team. Gruppendynamisch hat das eine sehr wichtige Funktion. Ohne ein gewisses Maß an Autorität geht es nicht. Wichtig ist, wie Du diese Autorität bzw. Macht dann einsetzt.
  • Du wirst feststellen, dass Führung ein bisschen wie das Wetter ist. Man steht morgens auf und weiß nicht genau, was einen heute erwartet. Eigentlich darf auf Deinem Schreibtisch nix liegen, weil Du über den Tag verteilt genug zu tun kriegst 🙂 Auf die täglichen Führungsherausforderungen kannst Du Dich auch nur eingeschränkt vorbereiten. Auch das ist, finde ich, ein Unterschied zu vorher, den man erstmal aushalten muss. Und dann stehst Du plötzlich vor Situationen, für die Du erstmal keine Lösung parat hast. Das ist überhaupt nicht schlimm, Führungskräfte sind eben auch nur Menschen 🙂 Du musst nicht immer sofort wissen, was zu tun ist. Wenn Du Dir Bedenkzeit verschaffst, ist das keine Schwäche!
  • Ob Konflikte im Team, fehlende Leistungsbereitschaft, Kundenbeschwerden wegen mangelhafter Arbeitsergebnisse, Druck von oben – manchmal gibt es wirklich harte Brocken zu bewältigen. Dann kannst Du schon mal in Selbstzweifel verfallen: “Andere kriegen das doch auch hin!” oder “Vielleicht bin ich ja doch nicht als Führungskraft geeignet.” Ich kann Dich trösten, mit diesen Gedanken bis Du nicht alleine. Nach meiner Erfahrung kommen viele Führungskräfte irgendwann an einen solchen Punkt. Mir hat es unglaublich geholfen, mich mit anderen Menschen auszutauschen, die ein Team leiten. Du wirst sehen: allein das Wissen darum, dass die Probleme eben wirklich schwierig sein können und dass es anderen auch so geht, lässt Dich wohlwollender auf Dich selbst schauen. Ich habe bei meinem Teamleitern gerade die Methode der kollegialen Beratung als Hilfe zur Selbsthilfe eingeführt. Wenn Du kritische Themen nicht innerhalb des Unternehmens besprechen willst, bietet sich z.B. ein Coaching an – entweder 1:1 oder als Gruppe mit Führungskräften aus unterschiedlichen Unternehmen.
  • Last but not least: sorge immer dafür, dass Deine eigene Energieschale gut gefüllt ist. Es bringt nichts, Dich bis zum Umfallen um Dein Team zu kümmern und dabei selbst auf der Strecke zu bleiben. Ich musste lernen, dass ich bei so manchem Paket, was man bei mir abladen will, getrost auch mal die Annahme verweigern kann 🙂

Ihr abschließendes Statement

„Wenn Du die Chance bekommst, von der Fach- in eine Führungsrolle zu kommen, ist das ein großartiges Lob für Deine bisherigen Leistungen. PUNKT. Ob Du diesen Weg tatsächlich gehen möchtest, will dennoch gut überlegt sein. Denn es bedeutet, dass Du anders und an anderen Dingen arbeitest als jetzt. Und es setzt voraus, dass Du bereit bist an Dir zu arbeiten, zu lernen und ganz neue Fähigkeiten zu entwickeln. Wenn Du das willst und Menschen wirklich magst, ist es eine unfassbar bereichernde, spannende Reise. Ich zumindest habe sie nie bereut!“

Danke, liebe Daniela!

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